"Oleee,
Vau-Eff-Beee, oleee, oleee"
Die Einpeitscher"
Wir
befinden uns im Jahre 2005 n. Chr. Triste Stimmung im ganzen
Daimlerstadion ... Im ganzen Daimlerstadion? Nein! Ein von
unbeugsamen VfB-Fans bevölkerter Block hört nicht auf, sein Team
nach vorne zu peitschen und der gegnerischen Mannschaft das Leben
schwer zu machen. Und das Leben ist nicht leicht für die fremden
Fußball-Legionäre, die die Stuttgarter bezwingen wollen ... Denn
nicht selten fliegen den Gästeteams recht harte Dinge um die Ohren.
„Dreiii, zweiii, eiiins ..." Ein junger Mann, mit VfB-Schal
bewaffnet, steht auf einem Podest in der ersten Reihe von Block 31
und gibt das Signal zum Angriff. „Wir wollen keine ...", brüllt er
in sein Mikrofon. „... Bayernschweine", schreit es aus hunderten von
Kehlen. Gleichzeitig werden Fäuste und ausgestreckte Mittelfinger in
die Höhe gereckt.
Willkommen beim Commando Cannstatt, einem
Anhängerverband aus der Ultra-Szene mit rund 300 Mitgliedern. Ultra
deshalb, weil es für diese Fans kein rechts oder links, kein oben
oder unten, kein schwarz oder weiß gibt — sondern nur den VfB.
Zumindest während der Dauer eines Spiels.
Nehmen wir zum Beispiel die Galionsfiguren des
Commandos Cannstatt: Thomas Angerbauer und Hannes Janietz, 23 und 24
Jahre jung, stinknormale Studenten. Eigentlich. Doch bei jedem
VfB-Auftritt spielen sie verrückt und übernehmen die Rolle des
Anheizers, Einpeitschers, Vorsängers, Vorturners, Drill-Instructors,
Hampelmanns oder wie auch immer man sie bezeichnen mag. Aufgedreht
hüpfen sie auf einem fest installierten Podest herum, drehen
Verstärker und Lautspre cher
ihrer Anlage bis zum Anschlag auf und brüllen in ein Mikrofon oder
Megafon. Gerade so, als habe sie eine Hornisse gestochen. Ein
90-minütiger Null-Euro-Job, den es im Daimlerstadion seit der Saison
1999/2000 gibt. „Zusammen mit Frankfurt waren wir mit die Ersten,
die ein Mikrofon und ein Megafon hatten", erzählt Angerbauer.
Standen die Stuttgarter Fans zuvor im Ruf von ausgesprochenen
Leisetretern, haben sie inzwischen in der Dezibel-Bundesligatabelle
mächtig aufgeholt. Mit lautstarken Songs und Sprechchören für jede
Spielsituation. Mal stimmen Angerbauer und Janietz Freudenlieder an
wie „Immer wieder VfB" oder fordern mit „Que sera" zum gemeinsamen
Schunkeln auf, mal wird mit „Come on, Stuttgart" Aufmunterungsarbeit
geleistet, im Stakkato-Rhythmus in die Hände geklatscht („Vau-Vau-Vau-Eff-Bee")
— oder gepöbelt. Ab und zu auch unterhalb der Gürtellinie. Für
weniger textsichere Mitstreiter gibt es sogar eine Art Gesangbuch,
das „Cannstatter Blättle", in dem Schlachtrufe und Lieder abgedruckt
werden. „Aber meist klappt's auch ohne ganz gut", sagt Janietz. Denn
inzwischen hat sich das Commando Cannstatt mit seinen Aktionen, zu
denen auch farbenfrohe Choreografien mit Papptafeln und das
Ausrollen
von überdimensionalen Blockfahnen gehören, fest in der Fanszene
etabliert. Selbst die Herrschaften aus dem VIP-Bereich vermissten
die gewohnte Stimmung, nachdem der Anhängerverband aus Protest gegen
ein seiner Meinung nach ungerechtfertigtes Stadionverbot Angerbauers
dem Block in der ersten Halbzeit des Rostock-Spiels der Saison
2004/05 fern geblieben war.
Inzwischen hat der Sündenbock seine harte Strafe
(„Es war fast nicht auszuhalten") abgesessen und ist so lautstark
bei der Sache wie eh und je. Auch wenn es Tage gibt, an denen der
Funke einfach nicht auf die Mannschaft überspringen will. „Manchmal
schreist du dir die Seele aus dem Leib, ohne dass es was nutzt",
sagt Angerbauer und hebt hilflos die Hände. Das Leben als echter Fan
ist eben hart. Und manchmal auch ungerecht. „Doch dann denkst du
zurück an die Champions League und unseren Sieg über Manchester
United in der Saison 2003/04 und hoffst, dass es hier bald wieder
solche Sternstunden gibt."
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