Hier geht's (nicht nur) um die Wurst
Die Grillmeister
Noch
zehn Minuten bis zur Halbzeit. Doch von Pause keine Spur. Im
„Grillpoint" K6 in der Untertürkheimer Kurve läuft der Betrieb auf
Hochtouren. Und der Schweiß in Strömen. Helmut Knittel steht hinter
dem Grill, mit Plastikhandschuhen und Zange bewaffnet, und gibt Gas.
Vollgas. Jetzt geht's um die Wurst. Mit fachmännischem Blick
begutachtet Knittel die heiße Ware. Noch einmal dreht und wendet er
sie. So, fertig! Knittels Zange schnappt zu und befördert das
Grillgut in einen Warmhaltebehälter. Schließlich soll es beim gleich
einsetzenden Massenandrang zu keinen Engpässen kommen. Und schon ist
das nächste Dutzend dran: Vakuumpackung aufreißen, Würste
rausnehmen, Gas geben. Fast im Fließbandtakt. „Bei uns", sagt
„Grillpoint"-Leiter Marcel Koch, „muss alles zack, zack gehen." Der
Verkauf von Bier, Softgetränken, Würsten und Steaks im Stadion ist
ein Stoßgeschäft. Alles ballt sich innerhalb von drei sehr engen
Zeiträumen: eine halbe Stunde vor dem Spiel, kurz danach, aber vor
allem während der Halbzeit.
„Da",
sagt Kiosk-Manager Holger Kuhn vom Cateringunternehmen Eurest,
„knallt's richtig." Innerhalb weniger Sekunden ist der „Grillpoint"
K6 von einer Menschentraube umlagert. „Zwei Rote, zwei Bier." „Eine
Fanta, eine Cola." „Drei Bier, eine Bratwurst, ein Steak." „Machet
schnell, i muss no aufs Klo!" Kein Problem. Die zehn Frauen und
Männer von K6 sind ein eingespieltes Team. Jeder Handgriff sitzt,
jeder hat seine feste Position. Zwei am Grill, zwei an den
Zapfhähnen, vier am Tresen. Hinzu kommt jeweils ein Mitarbeiter am
Warmhaltebehälter, der für Nachschub sorgt, und an der
Pfandrückgabe. Anpfiff zur zweiten Halbzeit. Innerhalb von wenigen
Minuten hat das 250-köpfige Personal an den 32 Kiosken im
Stadiongelände den größten Hunger und Durst der Zuschauer gestillt.
„Pro Spiel", verrät Kuhn, „verkaufen wir an den Ständen circa 30 000
Einheiten." Das heißt rund 15 000 Würste oder Steaks sowie 6000
Liter Bier, Mineralwasser oder Softgetränke.
Voraussetzung,
dass die Versorgung mit diesen riesigen Mengen klappt, ist eine
perfekte Logistik. Und verlässliche Mitarbeiter wie Helmut Knittel.
Wie fast alle seine Kollegen hat der 59-jährige Rentner einen
400-Eurojob, der viereinhalb Stunden vor Anpfiff beginnt. Zuerst
gibt es eine kurze Besprechung mit Kiosk-Manager Kuhn, dann werden
die Frischwaren vom Kühlhaus an die einzelnen Ständen gekarrt.
Nachdem die letzten Putz- und Aufräumarbeiten
erledigt sind, geht's los: Fässer anzapfen, Becher aufstellen,
Brötchen aufschneiden ... Kaum ist der Grill angeworfen, befindet
sich Knittel in seinem Element. Auf diesem Gebiet macht ihm so
schnell keiner was vor. Der Fellbacher spricht über seine
langjährige Erfahrungen als Grillmeister („Bei vielen
Vereinsfesten"), über optimale Temperaturen, über schlechte („außen
schwarz und innen kalt") und gute Würste und über zahlreiche
Stammgäste, die seine Künste zu schätzen wissen. Einer dieser Fans'
kommt sogar aus Mainz. „Bei zählt der frühere Handwerksmeister,
„nimmt er eine Großpackung unserer Roten mit." So was Leckeres
gibt's halt nur in Stuttgart. Bei anderen Gästen dagegen muss
Knittel erst Aufklärungsarbeit leisten. „Manche glauben, dass die
Rote im Wasser heiß gemacht wird."
Daran wird deutlich, dass Wurst nicht gleich
Wurst ist. Ähnlich verhält es sich mit Bier. Die Verordnung, dass im
Stadionbereich bei Bundesligaspielen nur Gerstensaft mit reduziertem
Alkoholgehalt ausgeschenkt werden darf — bei internationalen
Begegnungen ist sogar „bleifreier Sprit" vorgeschrieben —, ist Kuhn
ein Dorn im Auge. Folge: Viele Zuschauer flüchten in die
Sportgaststätten nebenan, wo es normales Bier gibt. „Das kostet uns
richtig Geld", sagt der Kiosk-Manager. „Dinkelacker gibt sich zwar
viel Mühe, aber irgendwoher muss der Biergeschmack schließlich
kommen." Auch Christian Kowalski, der im „Grillpoint" K6 am Zapfhahn
steht, kriegt hin und wieder Klagen über das „läpprige Gesöff" zu
hören. „Trink halt zwei", antwortet er in solchen Fällen, „dann
passt's!"
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