Die Anfänge des
Sportstädtebaus
Das erste antike Stadion,
römische Amphitheater und
deutsche Kampfbahnen
„Ein Sportplatz ist ein
Schmuckplatz", schreibt Carl
Diem, Generalsekretär des
Deutschen Reichsausschusses für
Leibesübungen, 1926. „Sei
freigiebig mit schmückendem
Grün, sparsam mit
Zuschaueranlagen, weg mit
Reklame und Bretterzaun!" Und
auf gar keinen Fall Tribünen!
Denn solche Forderungen
entstammten „im Wesentlichen aus
dem Geldbeutel und dieser sollte
in unserer Sache nicht
regieren", wie der Erfinder des
Deutschen Sportabzeichens in der
Schrift „Grundsätzliches zum
Stadionbau" befindet. „Zum
Begriff des Sports gehört der
freie Himmel, und wer nicht
einen Regenschauer in Kauf
nehmen will, der soll dem
Sportplatz fern bleiben." Basta!
Die Entwicklung hin zu mehr
Komfort, Konsum und Kommerz
aufhalten kann aber auch Diem
nicht. Hypermoderne Arenen wie
in München oder Schalke haben
mit dem ersten Stadion der
Neuzeit, das 1896 für die
Olympischen Spiele auf den
Grundmauern der perikleischen
Wettkampfstätte errichtet wird,
nicht einmal mehr den Namen
gemein - obwohl Athen als
„Mutter aller Stadien" gilt. In
der Antike versteht man unter
dem griechischen Namen „Stadion"
ursprünglich einen Wettlauf über
192,27 Meter. Die späteren
Stadionarchitekten holen sich
zahlreiche Anregungen aus dieser
Zeit. So lässt der damals
äußerst populäre Faustkämpfer
und Fechtmeister James Figg
1719
in London eine Art römisches
Amphitheater für Boxwettkämpfe
errichten. 1790 baut Napoleon
auf dem Marsfeld in Paris ein
aus Erdwällen bestehendes
riesiges „Stadion". Bei der
Einweihung verfolgen rund eine
halbe Million Menschen
sportliche Wettkämpfe und eine
politisch religiöse Feier zur
Erinnerung an die Revolution des
Vorjahres. Danach wird das
„Bauwerk populärer und urbaner
Kultur", wie Wissenschaftler
Stadien nennen, allerdings nur
noch sporadisch für Paraden und
andere Machtdemonstrationen
genutzt. Regelmäßige
Sportveranstaltungen finden seit
1850 eher in geschlossenen,
kommerziellen Zirkusbauten
statt. Beispiele: der Madison
Square Garden in New York, die
Albert Hall in London und der
Sportpalast in Berlin.
Mehr auf die Ausübung eigener
sportlicher Aktivitäten
ausgerichtet sind hingegen die
Turnplätze im Freien, wie die
Berliner Hasenheide (1811), wo
es vielfältige
Spielmöglichkeiten, Sportfelder
und -geräte gibt. Diese
Grünanlagen machen nach 1848
aber immer mehr überdachten
Turnhallen Platz. Zu Beginn des
20. Jahrhunderts geht der Trend
jedoch wieder in Richtung Natur:
Mit der Arbeiterbewegung
entstehen in den
Industriemetropolen große
Parkanlagen, die für
volkstümliche, politische und
sportliche Feste genutzt werden.
„Eine Revolution des Körpers
gegen den Ungeist eines
engstirnigen, von der Macht der
Bodenspekulation beherrschten
Städtebaus", wie es Martin
Wagner, der Planer des Berliner
„Volksparks" (1909) formuliert.
Auch die Fußballer, die damals
noch in den Kinderschuhen
stecken, üben ihre Sportart
zunächst auf grünen Wiesen und
Exerzierplätzen aus, ständig im
Konflikt mit Ordnungshütern und
Spaziergängern, bevor die Plätze
separiert und eingezäunt werden.
An Stadien ist noch nicht zu
denken, bereits Erdwälle und
überdachte Holztribünen gelten
als Luxus. Erst durch die
Olympischen Spiele in London
(1908) werden neue Maßstäbe im
Sportstättenbau gesetzt. Weniger
durch die Gestaltung, die viel
Kritik auslöst, auch wenn der
geschlossene ovale Komplex, der
im Gegensatz zum offenen
hufeisenförmigen Athener Stadion
steht, von nun an wegweisend
wird. Viel mehr beeindruckt sind
die Zeitgenossen von der
Zweckmäßigkeit: das erste
Stadion, das in seinem Innenraum
Platz für ein Fußballfeld, eine
Leichtathletik- und Radsportbahn
sowie ein Schwimmbecken bietet.
Somit haben die Zuschauer den
kompletten Überblick über das
gesamte olympische
Wettkampfgeschehen.
So ein Universal-Stadion,
darüber sind sich die Mitglieder
des Deutschen Reichsausschusses
für Olympische Spiele einig,
müssen wir auch haben. Gesagt,
getan. Dank einer
Privatinvestition von 2,25
Millionen Reichsmark kann das
Deutsche Stadion geplant werden,
zudem bekommt Berlin den
Olympia-Zuschlag für 1916.
Am 8. Juni 1913, pünktlich
zum 25-jährigen
Regierungsjubiläum von Kaiser
Wilhelm II., wird die Einweihung
der Arena gefeiert, die als
erstes echtes deutsches Stadion
gilt. Ein Komplex von imposanter
Größe: Das Oval ist 294 Meter
lang sowie 95 Meter breit und
umfasst einen Fußballplatz, eine
600 Meter lange Aschenbahn (plus
110-Meter-Bahn), eine Radpiste
(666,75 Meter) und ein 100 Meter
langes Schwimmbecken mit
Sprungturm. Ein weiterer
Superlativ ist das
Fassungsvermögen: 29 910 Plätze
bedeuten zu diesem Zeitpunkt
deutsche Spitze! Dennoch geht
der olympische Traum nicht in
Erfüllung: Wegen des Ersten
Weltkriegs wird die
Veranstaltung 1916 abgesagt.
Das letzte
Großereignis im Deutschen
Stadion ist das
Fußball-Länderspiel Deutschland
gegen Frankreich (19. März
1933). Drei Jahre später wird
das von Otto March geplante
Bauwerk auf Befehl von
Reichskanzler Adolf Hitler
abgerissen - und ein neues
Olympiastadion in Berlin
errichtet, eines von vielen
Prestigeobjekten der Nazis.
Überhaupt hat sich seit
Beendigung des Ersten Weltkriegs
sehr viel getan. Existieren bis
dahin nur zehn Stadien in
Deutschland, bricht in der
Weimarer Republik ein wahrer
Sportboom aus. Zum einen, weil
den Menschen durch die
Einführung des Acht-Stunden-Tags
mehr Freizeit zur Verfügung
steht. So steigt beispielsweise
die Mitgliederzahl des Deutschen
Fußball-Bundes (DFB) in den
Jahren 1920/21 rapide an: von
468 000 auf 777 000. Ein zweiter
Grund ist, dass das Volk nach
dem verlorenen Krieg neue
Identifikationsfiguren sucht -
und findet: in Sportlern wie Max
Schmeling, der zu jener Zeit zum
Boxidol avanciert, oder
Fußballern wie Heiner Stuhlfauth
und Hans Kalb, die den Ruf der
legendären Club-Elf des 1. FC
Nürnberg prägen. Die Folge ist,
dass in vielen Städten der Ruf
nach Arenen für den Breitensport
und für repräsentative
Veranstaltungen laut wird. In
den architektonischen Planungen
spielen dabei auch Überlegungen
wie Geländeauswahl,
Verkehrsanbindung und
Sichtverhältnisse eine zunehmend
wichtigere Rolle. So entstehen,
angefangen von Duisburg über
Köln, Düsseldorf, Frankfurt,
Dortmund, Schalke bis hin zu
Altona, große Stadien, die von
deutschtümelnden Zeitgenossen
alsbald in Kampfbahnen umbenannt
werden. Nach anfänglichen
Widerständen realisiert
schließlich auch Stuttgart ein
derartiges Projekt, das am 23.
Juli 1933 mit dem Deutschen
Turnfest Einweihung feiert.
Die komplette Geschichte
zum Gottlieb-Daimler-Stadion
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