VfB-Niederlage in
Frankfurt
Um den Beroldingen-Pokal
Eintracht Frankfurt -
VfB. Stuttgart 3:2 (1:1)
Das Spiel stand in der
sportlosen Ruhe dieser Frankfurter Feiertage ein
wenig einsam und verlassen da. In der „18" saß
ein Fünfzehnjähriger, der aus Gießen kam und
einen Weihnachtsbesuch gemacht hatte und nun die
Gelegenheit am Schopf ergriff, um sich ein Spiel
in der Großstadt anzusehen. Er zeigte sich
wohlinformiert über alle Vorgänge in Südwest und
überhaupt im Fußballreich und der
Berichterstatter gibt zu, daß ihm dieser junge
Mensch „aus der Fremde" erzählen mußte, Kramer
vorn Fußballsportverein Frankfurt sei nun in
Gießen gelandet. Und als der Junge fragte, ob
er, der Berichterstatter, glaube, daß es möglich
sei, von Stubb ein Autogramm zu erlangen, da sah
dieser Berichterstatter wieder einmal ein,
wieviel von der großen und echten Begeisterung
einem verloren geht, wenn man den Dingen zu nahe
steht. So jung und so begeistert bin auch ich
einmal in eine große Stadt gefahren, dachte er,
glücklich, ein großes Spiel zu sehen und von
vornherein entschlossen, alles gut und groß und
begeisternd zu finden... aber mitten in die
Wehmut der Erinnerungen hinein stoppte die Tram
und da lag der Bornheimer Hang: in weißen
Schleiern.
Ja, das Feld lag in einer
lähmenden Stille. Eine Möwe strich klagend über
es hin, weiß Gott, wie sie vom Main herauf zum
Fußballplatz gekommen war. Dann rollte das Spiel
an, zum viertenmal flog der Fußballfilm um jenen
Pokal vorüber, den Alexander, Graf von
Beroldingen zu Ehren und zum Gedächtnis seines
Bruders gestiftet hat, der einmal beide Vereine
geführt hat und der in einer Oktobernacht 1933
starb, jäh und erschreckend für die
Sportgemeinden der beiden großen Städte am Main
und in Württemberg. Drei Spiele waren vorbei.
Zwei hatte die Eintracht gewonnen, beide in
Stuttgart. Der VfB. hatte sich seinen Sieg am
Riederwald geholt. Es schien also der
Platzverein zum Untergang verurteilt; gemäß dem
Gesetz einer festgefügten Serie. Aber die
Eintracht ist im Nebel groß. Im Nebel schlug sie
Kreuznach vor acht Tagen 9:2, im Nebel
überwältigte sie Stuttgart. Die schlohweiße
Kleidung des VfB. ließ seine Spieler am
jenseitigen Feldrand mit dem Nebel eins werden.
Der Nebel selber schien zu schießen und zu
flanken. Nur das Kirschrot der Brustringe
leuchtete fahl. Unter solcher Schutzkleidung
hätte es also der Gast leichter haben müssen.
Aber er mußte allzugute Leute ersetzen. Rutz und
Koch, das sind große Namen. Die Eintracht war
auch nicht ganz beisammen. Mantel war nicht da
und Gramlich immer noch nicht. Doch die
Eintracht ersetzte beinahe mühelos. Sie hielt
sich einfach an das Kombinieren, die jungen
Spieler klammerten sich an etwas Unsichtbares,
nämlich an das, was sie so oft von ihren
Vorgängern gesehen hatten — und da sie sehr
freudig beim Zeug waren, ging es gut. Der VfB.
trat mehr Ecken, 7:1 wenn ich recht gezählt
habe, aber die Eintracht schoß genauer. Der
mattere Torwart stand beim VfB. Er lief
unglücklich heraus. Eintracht hatte in jeder
Hälfte einen anderen Wächter, ohne daß man sagen
könnte, sie seien sehr verschieden gewesen. Im
Nebel sind Torleute immer die Geleimten.
Doch flotter lief das
einträchtige Zusammenspiel und Adam Schmitt, der
schon in Kreuznach sechs Tore getreten hatte,
war auch diesmal fleißig. Er besorgte nach
Speidels feinem Führungstreffer schnell den
Ausgleich. Das geschah alles in den letzten acht
Minuten vor der Pause. Nachher schoß Schmitt die
Führung und als Möbs sich freigelaufen und „eingezentert"
hatte, da war am Sieg nichts mehr zu wackeln —
das Tor, das Speidel knapp vor dem Ende trat,
aber dennoch wohlverdienter Dank der vielen
Mühen des VfB. 2500 Menschen standen in der
Milchsuppe. Manchmal hellte sich die Gegend
etwas auf. Dann sah man etwas mehr vom Spiel.
Diesem herben, trotzigen Kampf, der durchgeführt
wurde wie ein gutes Punktespiel: hart, aber ohne
jede Gemeinheit. Es war ein gutes Spiel und für
ein Nebelspiel war es sogar vorzüglich zu
nennen. Die jungen Leute der Eintracht, Heyl,
die Hemmerichs, Fürbeth und Lanz schlugen sich
brav. Möbs und Schmitt imponierten. Der VfB.
wirkte gefährlicher, oft, ohne es zu sein.
Speidel war der weitaus überragende Stürmer,
aber auch Luik gefiel uns gut und sonst noch die
geschmeidige und starke Verteidigung
Weidner-Seibold.
Vier Spiele. Drei gewann die
Eintracht. Für den VfB. wird es Zeit, sich
aufzumachen. r.o.k. (aus dem 'Kicker'
vom 29.12.1936)
Große Ereignisse fehlten im
Gau an den Feiertagen. Nur die Eintracht empfing
den schwäbischen Tabellenführer VfB. Stuttgart
und schlug ihn verdient 3:2. Man sah aber vor
lauter Nebel nicht viel. Es ging um den
„Graf-v.-Beroldingen-Pokal". Schade, man konnte
nicht so recht warm werden in diesem Wetter.
Unter dem VfB. Stuttgart, der
übrigens Ersatz für Rutz und Koch hatte, dürfte
man sich mehr vorgestellt haben. Die Frankfurter
hatten noch mehr Ersatz, aber der bewährte sich
ganz gut. Außerdem kam Adam Schmitt gut in Fahrt
und das bedeutete auf jeden Fall erfolgreiches
Stürmerspiel. Dr. C.E.L. (aus dem
'Fußball' vom 29.12.1936)
Eintracht schlug
Württembergs Ersten
Die 1500 Unentwegten, die am
zweiten Feiertag im Nebel am Bornheimer Hang
erschienen, sahen sich für ihr Kommen und
Ausharren mit prickelnden Füßen und klammen
Fingern durch einen 3:2-Sieg der Eintracht über
Württembergs Tabellenführer belohnt, der dem
Ansehen Frankfurts im Fußball zustatten kommen
wird. Keine der beiden Mannschaften trat in der
gemeldeten Aufstellung an. Den Stuttgartern
fehlte ihr ganzes Innentrio Rutz-Prösock-Böckle,
das aber von Schäfer, Luik, und Speidel nicht
übel ersetzt wurde. Mittelläufer spielte statt
Koch der sonstige rechte Läufer Kraft, dessen
Posten Kotz ausfüllte. Die Eintracht hatte für
Zipp Stefan Hemmerich als rechten Läufer
eingestellt und in der Verteidigung Stubb durch
Heil ersetzt. Für den verletzt antretenden Röll
sprang Lanz als (Rechtsaußen ein. Nach der Pause
wurde schließlich noch Torhüter Gorka gegen
Schmitt ausgewechselt.
Geschmeidiger und
geschlossener spielend, hatte die Eintracht im
Feld eigentlich stets ein leichtes Übergewicht.
Aber ihr Sturm verstand die Möglichkeiten, die
die weit aufrückende und mit der Abseitsfalle
arbeitende Hintermannschaft der Gäste bot, nicht
immer auszuwerten.
Hemmerich und Monz ließen
sich oft mit zehn und mehr Metern abseits
stellen und abpfeifen, und das wurde schließlich
dem einen Linienrichter so zur Gewohnheit, daß
er auch dann winkte, wenn sie erst nach dem
Abspiel durchgestoßen waren. Schiedsrichter
Mothes-Offenbach, der sonst gut leitete, mußte
dann Protestgeschrei über sich ergehen lassen.
Zu Beginn stieß der ungemein
wendige Stuttgarter Linksaußen mit verwirrenden
Täuschungsmanövern mehrfach in den Frankfurter
Strafraum vor. Es gab Ecken und viel Arbeit für
die Hintermannschaft. Als aber Groß seinen Mann
erkannt hatte und ihm mit wachsender Sicherheit
die Bälle fortschlug, begann das Blatt sich zu
wenden. Ein klares Handspiel des Verteidigers
Weidner wäre einen Elfmeter wert gewesen.
Schüsse von St. Hemmerich und A. Schmitt gingen
auf den Hüter oder verfehlten knapp ihr Ziel.
Eine Ecke in der 37. Minute führte zu einem im
Nebel kaum zu verfolgenden Hin und Her vorm
Frankfurter Tor und plötzlich saß ein Schuß
Speidels unter der Latte. Der Ausgleich ließ nur
fünf Minuten auf sich warten. In der 42. Minute
stieß Lanz mit einer Vorlaße Fürbeth's durch.
Über Hemmerich kam der Ball steil zu A. Schmitt,
der noch drei, vier Schritte lief und dann so
wuchtig schoß, daß der Ball Schnaitmann durch
die Finger flitzte.
Fünf Minuten nach der Pause
kommt der Ball abermals von Lanz herein, Schmitt
zwingt Schnaitmann zum Herauslaufen und knallt
an ihm vorbei zum 2:1 ein. Monz und Hemmerich
tauschen, und nun läuft das Eintrachtspiel immer
besser. In der 25. Minute gibt Schmitt zu Möbs,
der kurz dribbelt und zum dritten Tore einlenkt.
Aus dem 3:1 wird in der 87. Minute ein 3:2.

(Aus den Vereins-Nachrichten der Eintracht vom
Februar 1937)
Mit freundlicher
Genehmigung von
http://www.eintracht-archiv.de/
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