Nach dem einwöchigen Konditionstrainingslager auf
Sylt schnürten die VfB-Profis bereits Anfang August wieder ihre
Kickstiefel, um das Projekt UEFA-Cup in Angriff zu nehmen. Mit dem
achten Tabellenplatz nach der Spielzeit 2001/02 qualifizierten sich die
Mannen von Felix Magath für den UI-Cup und hielten sich so ein Türchen
zur ersehnten UEFA-Cup Teilnahme offen. In der ersten Runde galt es
gegen den belgischen Club Sporting Lokeren anzutreten. Das Hinspiel fand
am siebten Juli im heimischen Gottlieb-Daimler- Stadion statt. Beide
Mannschaften steckten noch mitten in der, Vorbereitung, was ihnen auch
deutlich anzumerken war. Die Belgier wirkten anfangs noch frischer als
die Mannschaft von Trainer Felix Magath, denen wohl das Trainingslager
noch zu sehr in den Knochen steckte. Trotzdem gelang es Jochen Seitz
schon in der siebten Minute das 1:0 zu erzielen. Nach einem
abgefälschten Freistoß von Meißner, den der Sporting-Torhüter Van der
Jeugt nur abklatschen konnte, schnappte sich Seitz den Ball und schoss
das 1:0.

Der Regisseur und das Happy End
"Balakov kann stolz sein auf eine fantastische Karriere"
STUTTGART. Krassimir Balakovs letztes Bundesligaspiel gegen den VfL
Wolfsburg weckt im Spielmacher des VfB Stuttgart die ganz großen
Gefühle. "Nur Wehmut, die spüre ich nicht", sagt der 37-jährige Bulgare
nach dem 2:0-Sieg und der Vizemeisterschaft.

Immer wieder schaut Krassimir Balakov nervös in
Richtung Seitenlinie, wo Sean Dundee auf die Einwechslung wartet.
Dort tobt Felix Magath. "Spielt den Ball ins Aus", schreit der
Trainer des VfB Stuttgart aufs Feld. Aufregung um Balakov. Es ist
die 90. Minute in der Partie gegen den VfL Wolfsburg. Und so wie in
diesem Moment hat der Spielmacher noch nie in seiner 21-jährigen
Profikarriere die eigene Auswechslung herbeigesehnt. Er möchte in
seinem allerletzten Bundesligaspiel einen würdigen Soloabgang - und
er bekommt ihn dann auch. Sekunden vor dem Abpfiff verlässt
Krassimir Balakov unter dem tosenden Applaus der 49 000 Zuschauer,
die sich von ihren Sitzen erhoben haben, den Rasen des
Daimlerstadions.
"Das war ein Gefühl, das kann man einfach nicht beschreiben", sagt
Krassimir Balakov mit brüchiger Stimme. Sekunden später verliert der
37-Jährige vollends seine Fassung, als das Dortmunder 1:1 im
Daimlerstadion die Runde macht und die direkte Stuttgarter
Champions-League-Qualifikation tatsächlich feststeht. "Ich bin
einfach nur glücklich, einen schöneren Abschluss kann es nicht
geben", sagt Balakov. Es war ein Nachmittag der Emotionen, der
großen Gefühle - vor allem für Krassimir Balakov. Und es begann
schon vor dem Anpfiff feierlich, als die VfB-Spieler (neben Balakov
noch Jens Todt, Bradley Carnell, Thomas Ernst und Jochen Seitz) mit
Blumensträußen und Beifall verabschiedet wurden. Doch Sprechchöre
schallten nur beim Bulgaren durchs Daimlerstadion. Balakov sagt:
"Ich dachte mir, das fängt ja gut an."
Und es wurde noch viel besser. Nachdem Kevin
Kuranyi den VfB früh in Führung gebracht hatte, musste Balakov auch
nicht mehr lange auf seinen ersten großen Auftritt warten. Als
Jochen Seitz von Stefan Schnoor im Wolfsburger Strafraum gefoult
wird, kann es nur drei Entscheidungen geben. Erstens: Elfmeter.
Zweitens: Krassimir Balakov führt aus. Drittens: Tor - 2:0. So haben
die Zuschauer Krassimir Balakov noch nie jubeln sehen. Jetzt kann
ihn nichts und niemand mehr stoppen. Mit geballten Fäusten nimmt er
das erste Hindernis - und überspringt die Werbebande. Dann klettert
Balakov auf das Absperrgitter, um seinen Fans ganz nah zu sein. Die
umarmen den großen Star dieser rührenden Nachmittagsvorstellung
inniglich.
Im Rausch der Gefühle spricht Balakov von seinem wichtigsten Tor.
Später dann relativiert er seine Aussage: "Es war wohl eher der für
mich emotionalste Treffer", meint er mit einem zweistündigen
Abstand. Zuvor wird ihm noch sein Tor vor knapp zwei Jahren gegen
Schalke 04 eingefallen sein, das dem VfB damals am vorletzten
Spieltag den Klassenverbleib beschert hatte.
Balakov geht nach seinem letzten Bundesligaspiel noch so einiges
durch den Kopf. "Aber Wehmut spüre ich keine, einen besseren
Zeitpunkt für mein Karriereende hätte ich nicht wählen können", sagt
er. Dieser Einschätzung kann sich sein Trainer nur anschließen.
"Bala hat selbst einen wunderbaren Schlusspunkt hinter seine
Laufbahn gesetzt", sagt Felix Magath.
Bei diesem Thema findet dann auch der geknickte Wolfsburger Trainer
sein Lächeln wieder. "Krassimir Balakov kann stolz auf eine
fantastische Karriere sein", sagt Jürgen Röber auf der
Pressekonferenz, die er schleunigst verlassen muss, um das Flugzeug
noch zu bekommen. Doch dann meldet sich Jürgen Röber bereits im
Gehen noch einmal zu Wort, um kurz darauf hinzuweisen, dass er es
war, der Balakov 1995 von Sporting Lissabon zum VfB Stuttgart
gelotst hatte. So viel Zeit muss sein.
Für den Fußballer Krassimir Balakov hat sich beim VfB also der Kreis
geschlossen - aber noch nicht ganz. Schließlich steht am Donnerstag
noch sein großes Abschiedsspiel auf seinem ganz persönlichen
Abschlussprogramm. Und seine Mannschaftskollegen haben sich nach den
Champions-League-Feierlichkeiten für diesen Abend noch einmal viel
vorgenommen. Der Mannschaftskapitän Zvonimir Soldo sagt: "Bis dahin
müssen alle nüchtern sein - das ist ein Befehl."
Für das Abschiedsspiel von Krassimir Balakov am Donnerstag im
Daimlerstadion (17.45 Uhr) sind bisher 20 000 Karten verkauft
worden. Tickets für diese Partie, die vom SWR live im dritten
Fernsehprogramm übertragen wird, gibt es an den bekannten
Vorverkaufsstellen. Mitspielen werden unter vielen anderen die
VfB-Weltmeister Dunga, Klinsmann, Buchwald und Berthold
Es entwickelte sich ein gleichverteiltes
Spiel, beide Mannschaften zeigten Schwächen in
der Abwehr, agierten jedoch auch im
gegnerischen Strafraum weitestgehend harmlos.
In der 54. Minute traf Dundee nach einer Ecke
von Seitz und Kopfballverlängerung durch Todt
ins belgische Netz zum 2:0-Endstand.
Eine Woche später ging es dann zum Rückspiel nach
Lokeren. Mit zwei Toren Vorsprung konnte sich der VfB beruhigt auf die
Reise machen, die Aussichten für das Erreichen der nächsten Runde
standen gut. Vor nur 2500 Zuschauern zeigten beide Mannschaften eine
eher schwache Vorstellung. Als alle schon mit einem torlosen Remis
rechneten schaffte es Alexander Hleb in der 92 Minute schließlich doch
noch, den Ball im gegnerischen Tor zu versenken. Der VfB zog glanzlos in
die nächste Runde des Ul-Cup ein und es war klar, dass gegen den
italienischen Vertreter AC Perugia eine bessere Leistung nötig war.
Die Mannschaft um Kapitän Giovanni Tedesco trat im
Hinspiel am 27.07. im Gottlieb-Daimler-Stadion an. Nach einer schwachen
ersten Hälfte, in der Fabrizio Miccoli nach 14 Minuten das 1:0 für den
AC Perugia erzielte, schien die Pausenansprache von Trainer Felix Magath
ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben. Wie verwandelt kamen der VfB
zurück und platzierten den Ball gleich dreimal in Zeljko Kalacs Tor. Die
Treffer erzielten Marcelo Jose Bordon, loan Viorel Ganea und Jochen
Seitz.
Mit abermals zwei Toren Vorsprung reiste der VfB
frohen Mutes zum Rückspiel nach Italien, um dort schließlich noch
ordentlich in Bedrängnis zu geraten. Nach einer torlosen ersten Hälfte
erzielte Ganea zwar in der 54. Minute das 1:0 für den VfB, danach legte
der AC Perugia aber zu und brachte die VfB-Abwehr immer wieder in
Bedrängnis, zweimal auch mit Erfolg, Fabrizio Miccoli und Emanuele
Berrettoni trafen in der 74. und 90. Minute unhaltbar für Keeper Timo
Hildebrand und am Ende trennte die VfB-Profis nicht mehr viel vom
dritten Gegentreffer. Glücklicher Weise blieb es beim 2:1-Sieg für den
AC Perugia, was Felix Magaths Mannschaft zum Erreichen des Halbfinals
genügte.
Im Halbfinal-Hinspiel traf der VfB am 31.07. im
heimischen Gottlieb-Daimler-Stadion auf den NK Slaven Belupo. Die
Kroatten zeigten eine enttäuschende Leistung und der VfB war die meiste
,Zeit Herr der Lage. Thomas Schneider erzielte in der neunten und 62.
Minute die Tore für den VfB, die trotz des schwachen Gegners die gute
Ausgangslage noch verspielten und in der Schlussphase einen Gegentreffer
von Davor Bajsic kassierten.
Somit konnte das Rückspiel in der kommenden Woche
doch nicht ganz so locker angegangen werden. Nach einem verhaltenen
Anfang traf Sean Dundee aber in der 39. Minute zum 1:0 und dank der
sicheren VfB-Abwehr und einem enttäuschenden Auftreten von Slaven Belupo
blieb es bei diesem Ergebnis - der VfB stand im Finale des UI-Cups.
Am
darauf folgenden Dienstag ging es dann um alles, als der VfB zum
Hinspiel des UI-Cups nach Lille reisten. Der VfB-Elf war im Vergleich
zum letzten UI-Cup-Spiel gleich auf fünf Positionen anders
besetzt. Die Frnzosen waren sehr defensiv eingestellt, während der VfB
das Spiel machte. Trotzdem gelang es Nicolas Bonal nach einem Konter das
1:0 zu erzielen, wobei es auch bleiben sollte. Der VfB agierte zwar
engangiert, aber glücklos. Dagegen hätte der Sieg für Lille noch weit
höher ausfallen können, wäre Timo Hildebrand nicht mit einigen
Glanzparaden zur Stelle gewesen.
Der VfB legte zwar nicht los wie die Feuerwehr, doch
machten die Schwaben schnell klar, wer Herr im Hause war. Der OSC musste
sich nach dem 1:0-Sieg im Hinspiel zunächst ganz auf Defensivarbeit
konzentrieren. Die Stuttgarter wurden immer dann gefährlich, wenn
sie über die Außen kamen, wo Amanatidis (rechts) und Seitz für einigen
Druck sorgen konnten. Die beiden Außenbahnspieler produzierten
schließlich auch das erste Tor, doch hatte der Lininerichter Seitz im
Abseits gesehen - zu Unrecht (16.).
Das nicht gegebene Tor lähmte die Magath-Elf ein
wenig, die nun ihr Spiel zu sehr durch die Mitte aufzog, wo die
Franzosen einen dichten Riegel aufbauten. Zudem hatte Lille mit Cheyrou
und Landrin zwei brandgefährliche Offensivleute, die Hildebrand zu zwei
Großtaten zwangen.
Unmittelbar vor der Pause stand der Schiedsrichter
mit seinem Gespann ein weiteres Mal in der Kritik, als er ein Tor von
Amanatidis wegen Abseits aberkannte (44.).
Die zweite Halbzeit begann mit zwei Paukenschlägen.
Der VfB kam sehr stürmisch aus der Kabine und Ganeas Kopfball konnte
Pichot auf der Torlinie nur mit der Hand stoppen. Der Defensivmann der
Franzosen sah für seine Rettungsaktion den Roten Karton, doch zur
Führung für die Schwaben reichte der fällige Elfmeter nicht, da Balakov
vom Punkt zu genau zielte und statt den Winkel nur den Pfosten traf.
Trainer
Magath reagierte und brachte gegen die dezimierten Franzosen mit Tiffert
einen weiteren Stürmer, Abwehrmann Hinkel verließ den Platz (54.). Doch
so richtig wollte das VfB-Angriffsspiel nicht mehr in Schwung kommen.
Zwar hatte der Bundesligist eine Vielzahl von Ecken, doch Kapital konnte
er daraus nicht schlagen. Lille hingegen verteidigte ab der 48. Minute
das eigene Gehäuse mit Mann und Maus, doch das gelang ihnen nur bis zur
81. Minute, als der Elfmeter-Fehlschütze Balakov seine Scharte mit dem
1:0 wieder wettmachte. Nun drehte der VfB noch einmal voll auf und
Kuranyi avancierte zum Matchwinner. Eine von Bordon verlängerte
Balakov-Flanke köpfte Kuranyi aus kürzester Distanz über die Linie.
Der VfB Stuttgart wendete mit einer engagierten
Leistung den drohenden Nichteinzug in den UEFA-Cup ab. Balakov und
Kuranyi machten in der Schlussphase zwei Tore zum 2:0 gegen den OSC
Lille. Damit stand der VfB in der 1. Hauptrunde des UEFA-Cups und war
somit zum zweiten Mal Gewinner des UI-Cups nach 2000.
Europa, wir kommen! Stuttgarts Junge Wilde schaffen ein kleines
Fußballwunder
Wenige Minuten entscheiden über die direkte Qualifikation des VfB zur
Champions League
Sicher, es ist nur ein Spiel. Aber was für eines! Noch Stunden nach
der Fußballsensation fällt es den Akteuren des VfB Stuttgart schwer,
das gemeinsam Erreichte zu begreifen. Im Herbst treten sie gegen
Europas Beste an.
Das
Leben fängt da an, wo der Fußball aufhört. Oder fängt es dann erst
richtig an? Am Samstagnachmittag im Jahre 2003 war es so. Um 17.17
Uhr pfiff Schiedsrichter Hellmut Krug zwar das Spiel des VfB
Stuttgart gegen den VfL Wolfsburg (2:0) ab. Aber die Kugel rollte
weiter - im Dortmunder Westfalenstadion. Und das machte die Sache
dramatisch. "Mir war nach dem Schlusspfiff zum Heulen zu Mute",
gestand VfB-Trainer Felix Magath, "so angespannt war ich in diesen
Minuten." Platz drei oder Vizemeister? In Minuten entschied sich:
Verdient der Club bald ein paar Moneten im Uefa-Cup oder Millionen
in der Champions League?
Doch der "Fußballgott führte diesmal Regie" (Magath) und "das Leben
hat es heute gut mit uns gemeint" (VfB-Präsident Manfred Haas).
Kurzum: Der Fußball war wieder großes Gefühlskino: Leben, Leiden,
Freude. Harte Männer benahmen sich plötzlich wie kleine Kinder.
Selig, voll überschäumenden Glücks. Das Remis der Dortmunder gegen
Cottbus machte aus den Bettlern der Bundesliga die Könige von
Stuttgart. Emotionen sprengten Konventionen. Später - im verklärten
Rückblick - wird man vielleicht sagen: Es waren Momente für die
Ewigkeit. Augenblicke, die sich lohnen, präzise festgehalten zu
werden:
17.01 Uhr: Die Nachricht aus Dortmund vom Ausgleich der Cottbuser
verbreitet sich wie ein Lauffeuer durchs Stadion. Es herrscht
Gänsehaut-Atmosphäre.
17.10 Uhr: Aus der Hoffnung wird langsam Gewissheit. Der Cannstatter
Fan-Chor singt: "Oh, wie ist das schön" . . . "Felix Magath, du bist
der beste Mann."
17.17 Uhr: Abpfiff. Standing Ovations. Die Stimmung ist am
Siedepunkt. Durch die Arena dröhnt: "So sehen Sieger aus."
17.18 Uhr: Die Mannschaft wechselt die Garderobe: Die neuen T-Shirts
dokumentieren das Unfassbare: Der VfB in der Champions League!
17.19 Uhr: Die Mannschaft und der Trainer versammeln sich auf dem
Rasen im Kreis. Die Sensation ist perfekt - der VfB hat Dortmund auf
Platz drei verdrängt. Spieler hüpfen und tollen auf dem Rasen herum,
lassen ihren Trainer im wahrsten Sinne des Wortes hochleben - sie
schleudern Magath in die Luft. Später duschen sie ihn mit Schampus.
17.24 Uhr: Zum Triumphmarsch aus der Oper "Aida" defilieren die
VfB-Profis an den Fans vorbei. Eine Ehrenrunde, die unter die Haut
geht.
17.29 Uhr: Magath umarmt Aufsichtsratschef Dieter Hundt und
Debitel-Vorstand Achim Egner. Die Helden in den kurzen Hosen ziehen
sich in die Kabine zurück. Zvonimir Soldo, der Kapitän, übernimmt
die Regie und brüllt: "Der Bart muss ab." Viorel Ganea wird zum
Barbier und befreit Manfred Haas von seinem Schnäuzer.
18.30 Uhr: Heiko Gerber kommt mit Dauergrinsen vom Duschen: "Ich
habe ein Bier getrunken", sagt er schelmisch, "einen Liter."
19.00 Uhr: Das Fest geht weiter. Erst im Vip-Raum, dann bei der
Fan-Party auf dem Clubgelände und schließlich im Restaurant Amici,
wo auch Felix Magath nach seinem Auftritt im ZDF gegen ein Uhr
hinzustößt.
3.00 Uhr: Endspurt in der Discothek Move. Im Morgengrauen verlieren
sich die Spuren der Jungen Wilden - bis zum Mittag. Dann taucht
Kevin Kuranyi im Stella zum Brunch auf.
Aber selbst jetzt - viele Stunden nach dem Schlusspfiff: Der junge
Star braucht immer noch einen, der ihn kneift: "Träume ich? Ich kann
das alles immer noch nicht richtig fassen."
Es ist wie immer, wenn das Unglaubliche eintritt: Dann spricht der
Mensch gerne von Wundern. Selbst einer, der beim VfB den Beinamen
"Wundermann" trägt, sprach davon. Jürgen Sundermann konnte sich der
Faszination des Augenblicks nicht entziehen. Gerührt und mit
feuchten Augen stellte der ehemalige VfB-Coach sogar seine eigenen
Erfolge hinten an. "So etwas Fantastisches habe ich noch nie
erlebt." Er muss es wissen. In seiner Ära mit den damaligen Jungen
Wilden Hansi Müller und Karlheinz Förster galt dasselbe Motto wie
heute: "Damals in den 70ern waren die Jungs auch super. Technisch
stark, offensiv, hemmungslos und immer optimistisch." Die Fans
liebten den VfB. So wie heute. Oder ist alles noch viel besser?, wie
der "Wundermann" meint: "Die Stimmung im Stadion, diese totale
Identifikation mit der Mannschaft. Das ist einmalig. Ich bin
begeistert."
Doch der Grat war schmal, die Atmosphäre explosiv: Es galt das
Alles-oder-nichts-Prinzip. Denn wie so oft im Sport: Triumph und
Tragödie lagen dicht beieinander. Eine Niederlage, Platz vier und
womöglich der Abgang von Trainer Felix Magath - Frust und Verdruss
hätten alles Positive verdrängt. Ein anderer Erfolgstrainer der
Roten hat genau das erlebt. "Ich fühle mich ins Jahr 1998
zurückversetzt", sagte Joachim Löw vor dem Happy End traurig,
"keiner redete damals vom Europacupfinale, sondern nur vom Theater
im Verein." Damals kippte die Stimmung: Aus dem magischen wurde das
tragische Dreieck. Löw wurde von Gerhard Mayer-Vorfelder in die
Wüste geschickt. Die Mannschaft zerbrach. Dies alles drohte sich nun
zu wiederholen. Und genau mit dieser bösen Ahnung kamen viele der 49
000 Zuschauer ins Daimlerstadion. Aber genau das Gegenteil trat ein.
Diese überraschende Wende versetzte alle im Stadion in Euphorie.
"Die Stimmung ist heute viel schöner als 1992 bei der
Meisterschaft", schwärmte einer auf der Haupttribüne, "weil alles
noch überraschender kam." Fußballwunder fallen eben vom Himmel. Wie
1954 in Bern, als Deutschland Weltmeister wurde. Unvergessen sind
aber auch die Schlussworte von Herbert Zimmermanns legendärer
Radioreportage: "Auch in diesem Augenblick wollen wir nicht
vergessen, dass es ein Spiel ist . . . " Aber ein wunderbares, das
dem Leben auch nach dem Schlusspfiff eine besondere Dramatik geben
kann. |