Der VfB Stuttgart erreicht das Endspiel im UEFA
Cup Winners`Cup und unterliegt in Stockholm gegen den FC Chelsea mit 0:1
Der Italiener entscheidet mit der ersten
Ballberührung das Cup-Finale
STOCKHOLM, 13. Mai. Der VfB Stuttgart hat seine
Achterbahn-Saison nicht mit dem erhofften ersten Europacup-Triumph der
Vereinsgeschichte abgeschlossen. Die Schwaben verloren am Mittwochabend
im Stockholmer Rasunda-Stadion das Finale im Pokalsieger-Wettbewerb
gegen den FC Chelsea verdient mit 0:1 (0:0). 15 000 Engländer unter den
35 000 Zuschauern waren völlig aus dem Häuschen, als in der 71. Minute
der 20 Sekunden zuvor eingewechselte Italiener Gianfranco Zola das Tor
des Abends markierte.
Die Stuttgarter boten in der möglicherweise letzten Partie unter
Trainer Joachim Löw über weite Strecken eine enttäuschende
Vorstellung, vor allem Spielmacher Krassimir Balakov blieb weit
hinter seinen Möglichkeiten. Auch gegen zehn Engländer - Petrescu
sah in der 85. Minute wegen groben Foulspiels die Rote Karte -
gelang den Schwaben kein Treffer. Stattdessen flog in der
Schlussminute auch Poschner wegen Schiedsrichterbeleidigung vom
Platz. Als Trostpflaster für die nächste Saison bleibt dem
Bundesliga-Vierten, der von 4 000 Zuschauern begleitet wurde, die
Teilnahme am Uefa Cup. Hansa Rostock muß stattdessen über den UI-Cup
die internationale Teilnahme anstreben.
Anfangs war es ein zerfahrenes Spiel, das viele
technische Fehler die Nervosität auf beiden Seiten offenbarte. Die
Stuttgarter präsentierten sich zwar in der Defensive glänzend, doch
gelang es ihnen über weite Strecken der Partie nicht, Ordnung ins Spiel
zu bringen. Balakov, der zu Wochenbeginn mit Handgreiflichkeiten gegen
einen Journalisten aufgefallen war, bekam die Fäden nicht in die Hand.
Die Außenpositionen mit Haber und Hagner wurden nur selten eingesetzt,
und im Angriff hatten Akpoborie und Kapitän Bobic einen schweren Stand.
Seine besten Szenen hatte der VfB in der ersten
Halbzeit zwischen der 10. und 20. Minute, als sich die Schwaben gleich
dreimal gegen die Vierer-Abwehrkette der Londoner durchsetzten: In der
12. Minute traute sich jedoch Balakow nach Zuspiel von Akpoborie nicht
zum Schussversuch mit seinem schwächeren rechten Bein; eine Minute
später schoss Bobic nach einem Querschläger von Clarke neben das Tor.
Danach jedoch übernahm Chelseas Europa-Auswahl wieder
die Initiative. Den Anfang vom VfB-Ende läutete die 55. Minute ein, als
das Abwehrbollwerk wegen einer Oberschenkelzerrung von Schneider
auseinander gerissen wurde. Der eingewechselte Endreß schien sich gut
einzufügen, doch seine Orientierungslosigkeit nach Auswechslung seines
Gegenspielers Flo war Grundstein für das 0:1. Keine 20 Sekunden im Feld,
nahm Joker Zola einen herrlichen Paß von Poyet völlig freistehend auf
und hämmerte den Ball in die Maschen.
Der VfB Stuttgart beklagt sich im
Pokalsiegerwettbewerb einerseits über die mangelnde (finanzielle)
Attraktivität der Gegner, weiß andererseits aber auch nicht immer
sportlich zu überzeugen. Dennoch ziehen die Schwaben letztlich ins
Finale gegen den englischen Vertreter FC Chelsea ein, das sie
unglücklich verlieren. Bei konsequenterer Chancenauswertung wäre ein
Sieg möglich und auch nicht unverdient gewesen. Dennoch ist die zweite
Europapokal-Finalteilnahme für die Stuttgarter einer der größten Erfolge
der Vereinsgeschichte.
Zeitungsartikel zum Endspiel von 1998
. . . Kostet Zolas "Blitztor" Löw den Job?
Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder ging sogar völlig
auf Tauchstation, ließ selbst ein Fernsehinterview platzen und erschien
nach dem Spiel nicht in der Kabine. VfB-Generaldirektor Ulrich Schäfer
verschwand wortlos Richtung Hafen. Der Skandal um VfB-Star Krassimir
Balakov, der einen Stuttgarter Journalisten auf dem Hinflug geohrfeigt
und ihm einen Kopfstoß verpasst haben soll - Balakov bestreitet hingegen
die Vorwürfe -, hatte den Trip nach Schweden ohnehin schwer belastet.
Aufgrund von Sicherheitsbedenken waren die mitgereisten Medienvertreter
vom Bankett nach dem Endspiel ausgeladen worden. Allerdings beherrschte
die Diskussion über die Zukunft von VfB-Coach Joachim Löw das Geschehen
nach der Finalniederlage.
Fredi Bobic ("Das wir über Fehler reden und daraus
lernen müssen, heißt nicht, dass es notwendig ist, den Trainer zu
wechseln"), kündigte erneut an, sich bei der Klubführung für Löw, der
kurz vor dem Rauswurf steht, einzusetzen. "Es ist bitter, durch ein
solches Tor zu verlieren", klagte der blasse Stürmer, der nur in der
ersten Hälfte eine einzige Chance verbuchen konnte. Viel zu spät aber
brachte Löw mit Kristijan Djordjevic (75.) neuen Schwung ins
Flügelspiel.
"Für mich ist die Saisonbilanz positiv"
Der in Schweden gelbgesperrte Kapitän Frank Verlaat forderte das
Präsidium zu einer schnellen Entscheidung in Sachen Trainer auf. "Der
Verein muss sich endlich entscheiden", sagte der Niederländer. "Es war
mehr drin in dieser Saison. Wir haben etwa acht Spiele leichtfertig
vergeben." Unverhohlene Kritik übte auch Murat Yakin, der mit dem 1. FC
Kaiserslautern in Verbindung gebracht wird: "Man muss über vieles reden,
so wie es dieses Jahr gelaufen ist, kann man nicht zusammenarbeiten."
Kampflos aber will Löw das Feld offenbar nicht
preisgeben. "Ich sehe dem Gespräch gelassen entgegen. Der Verein muss
auf mich zukommen. Ich habe einen Vertrag bis 1999. Es müssen einige
harte Worte fallen. Für mich ist die Saisonbilanz positiv", sagte Löw,
dessen Zeit trotzdem abgelaufen scheint. Der 38 Jahre alte Coach wird
wohl durch den ehemaligen Karlsruher Winfried Schäfer ersetzt, der mit
VfB-Boß Mayer-Vorfelder kurz vor der Einigung stehen soll. Bereits für
den Freitag soll ein weiterer Verhandlungstermin vereinbart worden sein.
Offenbar geht es nur noch um Vertragslänge und Gehalt.
Die Sieger genossen ihren Triumph überschwänglich.
"Wir sind sehr glücklich. Vor 27 Jahren hat der Club zum letzten Mal
einen Europapokal gewonnen. Heute waren wir eine hungrige Mannschaft,
die unbedingt gewinnen wollte", jubelte Chelseas Spielertrainer Gianluca
Vialli, der in einem beherzten Duell gegen einen überragenden Thomas
Berthold glänzte. Torschütze Gianfranco Zola (71.) kam nach seinem
"goldenen Blitztor" nach 23 Sekunden gleich mit dem Pott zur
Pressekonferenz: "Ein Traum für uns. Der Klub hat mir vertraut, als ich
meine Verletzung zehn Tage in Italien auskuriert habe. Das Vertrauen
habe ich heute zurückgegeben."
Oliver Trust, sid - Fotos: Reuters, AP
|