DER SCHWEIGER AUS ISLAND
VON KLAUS SCHLÜTTER (06/92)
Der
Ober serviert Schwäbischen Rostbraten. Asgeir Sigurvinsson verzieht die
Mundwinkel . "Schon wieder Spätzle dazu! Die Leute hier vergessen immer
die Kartoffeln oder Pommes frites," stöhnt er.
An alles hat sich der Isländer im Schwabenland
gewöhnt. An Maultaschen, Leberkäs' und herben Wein. Aber mit Spätzle
kann Sigurvinsson sich auch nach zehn Jahren noch nicht anfreunden.
Als junge hat er viel Fisch gegessen. Aufgewachsen
ist "Ausgjehr" (so wird der Vorname in seiner Heimat ausgesprochen) auf
der Vulkaninsel Vestmannaeyjar. Mit 17 unterschrieb er seinen ersten
Profivertrag, spielte dann acht Jahre lang bei Standard Lüttich in
Belgien. Ein begnadeter Fußballer, ein Großer der Branche, eine
Persönlichkeit. Er glänzte mit genialer Arbeit am Ball und weniger durch
eine flinke Zunge, der große Schweiger Sigurvinsson.
Trotzdem musste er auf der harten Ersatzbank Platz
nehmen, als er 1981 zu Bayern München kam. Der Schatten eines Paul
Breitners war zu lang. "Bayern war der dunkle Punkt in meiner Karriere,
sagt er heute.
Nur
ein Jahr hielt es' Sigi in München aus, dann wechselte er gemeinsam mit
seinem Freund Kurt Niedermayer nach Stuttgart und war in den folgenden
acht Jahren einer der besten, wenn nicht der beste Ausländer, den der
VfB je hatte. Der Isländer zauberte und bezauberte in 210
Bundesligaspielen, schoss 39 Tore, bis er 1990 im Alter von 35 Jahren
aufhörte. Sein größter Erfolg beim VfB: "Als wir 1984 Deutscher Meister
wurden. Diese Stimmung im Stadion, diese Atmosphäre in der Stadt,
einfach super war das damals."
Jetzt bewohnt er in Denkendorf bei Esslingen mit Frau
Asta und den Kindern Tanja und Aron eine Doppelhaushälfte und bastelt an
seiner beruflichen Zukunft. In Islands Hauptstadt Reykjavik, in die er
eines nicht allzu fernen Tages zurückkehren wird, ist Sigurvinsson an
einer
Import-Export-Firma beteiligt, in Hamburg betreibt er
mit einem Partner ein isländisches Reisebüro.
Dem VfB ist er treu geblieben. Als Spielerbeobachter zieht er Woche für
Woche von Sportplatz zu Sportplatz, von Stadion zu Stadion. Empfiehlt
mal dieses Talent, mal jenen Star.
Sein bestes "Fundstück" für den VfB war sein
Landsmann Eyölfur ("Jolly") Sverrisson, wertvoll, sympathisch und
schweigsam wie Sigi
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