VOM MAURER ZUM MILLIONÄR
VON MARTIN HÄGELE (06/92)
Sein
Montag ist ihm heilig. Kicken, zocken, Viertele. Und obwohl es in dieser
Männer-Gesellschaft des Motorsportklubs ziemlich raubeinig zugeht, ihn,
den korpulenten Mitfünfziger, macht keiner an.
"Pech, Multi", sagen sie fast bedauernd, wenn er bei
einem Pass wieder mal einen Schritt zu spät kommt. Doch dann,
blitzschnell dreht sich der Dicke um ein, zwei jüngere Bewacher und ein
Schuss, dass das Drahtnetz noch Minuten nachbebt. "Mensch Rolf`," kommt
nun das Lob von den Kumpels, ebenso wie von der anderen Mannschaft, "so
was kann halt nur der Geiger."
Der alte Nationalspieler und Multimillionär Rolf
Geiger ist einer, zu dem man aufguckt. Alle die Ex-Profis, Trainer.
Ex-Trainer, Spielervermittler, - Geschäftsleute, Journalisten und
andere. die da Montagmittags vis-ä-vis vom Neckarstadion mitkicken und
später mitkarteln dürfen, halten es so. Der Rolf war als Spieler eine
große Nummer und hat die Karriere auch im Beruf durchgezogen.
Doch das Besondere an dieser kompletten Laufbahn ist die Tatsache, dass
sich Rolf Geiger mit jenen speziellen Tugenden nach oben geschafft hat,
die man in dieser Gegend besonders schätzt: knitz, bauernschlau,
schaffig, schwäbisch halt.
Als Maurerlehrling auf dem Bau und im weiten Umkreis
von Marbach ein gefürchteter Schläger. Als Fußballspieler offiziell
Olympia-Amateur, aber selbstverständlich unterm Tisch schwarz kassiert.
Als die italienischen Profiklubs Anfang der Sechzigehrjahre - ähnlich
wie heute - die Jagd auf deutsche Nationalspieler eröffneten, hat sich
Rolf Geiger gern vom AC Mantua einfangen lassen. Und als man im Sommer
1963 endlich auch im deutschen Fußball das ehrenwerte Verdienen und die
Bundesliga einführte, kehrte Rolf Geiger pünktlich wie ein Maurer zum
VfB zurück. In einem weißen Alfa-Romeo, den Kofferraum voller Geld.
"Ich war ledig, hatte einen schönen Urlaub, ich hab'
eine Sprache gelernt, erzählt Geiger, und von seinem Fußballgeld habe er
sich sein erstes Haus hingestellt. Schuldenfrei, "koi fremd's Geld,
immer ois oms andere", nach diesem Geschäftsprinzip hat er tausende
Häuser bauen lassen.
Weil er wusste, dass er nicht nur mit dem Ball ein Großer war, hat er
nicht lange getrauert, dass Sepp Herberger nicht mehr mit ihm sprach,
nachdem er ihn bei einer nächtlichen Zimmerkontrolle mit einer
Whiskypulle in der Hand erwischte. Das war's dann halt nach acht
Länderspielen und zwei Toren. Beim VfB zog der Star ein Jahr später
selbst den Schlussstrich. 1965. Trainer Gutendorf ging Geiger auf den
Senkel. Wie sagen sie doch heute noch an jedem Montag: "Mit dem Rolf
macht keiner den Bär."
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