EIN SCHWABE AUS TILSIT
VON BRUNO BIENZLE (06/92)
wenn
Klaus Sieloff (den zweiten Vornamen Dieter hat er schon lange abgelegt)
auf seine Karriere zurückblickt, dann schüttelt er noch heute manchmal
den Kopf. Ausgerechnet er, für den sich ein Traum erfüllte als er 1959
als 17jähriges Ausnahmetalent durch die Späher des VfB von Rottweil nach
Stuttgart geholt wurde, fand sich hier neun Jahre später am absoluten
Tiefpunkt.
Am Ende einer verkorksten Saison, die von Querelen in
der Vereinsführung geprägt war, hatten ihm ein falsch behandelter
Spreizfuß und Streitigkeiten um Vertragsklauseln so zugesetzt, dass er
ans Aufhören dachte. Über seinen Teamkollegen Gerd Menne der während der
Trainerausbildung in Köln bei Borussia Mönchengladbach mittrainierte,
und Günter Netzer, dem Sieloff schon bei dessen Länderspieldebüt
imponiert kam der Kontakt zu Hennes Weisweiler zustande.
Der suchte einen Libero als Sicherung für seine
Himmelsstürmer und machte dem Kandidaten als erstes klar, dass er in ihm
keinen Stammspieler sehe. Um so ehrgeiziger stürzte sich der 1942 im
ostpreußischen Tilsit geborene "hochdeutsch sprechende Schwabe" in die
neue Aufgabe und wurde prompt zum großen Rückhalt der "Fohlen vom
Bökelberg."
Die Bilanz des Stuttgarters, der wider Willen sein
fußballerisches Glück am Niederrhein fand, kann sich sehen lassen: auf
Anhieb zwei Meistertitel (1970 und 1971), Pokalsieger 1973, begeisternde
Europapokalspiele und die Rückkehr in die Nationalmannschaft. Dort hatte
Klaus Sieloff 1964 beim 4:1 gegen Finnland in Helsinki noch unter Sepp
Herberger debütiert. Sieben weitere Einsätze in seiner VfB-Zeit folgten,
darunter das 2: 1 gegen Schweden in Stockholm, das Deutschland die
Teilnahme an der Fußball-WM 1966 in England sicherte und bei dem ein
gewisser Franz Beckenbauer erstmals im Nationaltrikot spielte.
Erst mit dem Gladbacher Höhenflug zog der außerhalb
des Spielfelds so zurückhaltende Abwehrstratege wieder das Interesse von
Helmut Schön auf sich. Der nahm ihn mit zur WM 1970 nach Mexiko - und
ließ ihn meist auf der Tribüne sitzen. Dennoch erhöhte sich 1970/71 sein
Länderspielkonto um sechs auf 14 Einsätze: Klaus Sieloff Chef der
Abwehr, Franz Beckenbauer damals noch im Mittelfeld.
Obwohl Klaus Sieloff lizenzierter Fußball-Lehrer ist,
verfolgt er den bezahlten Fußball heute "lieber als Zuschauer". Die
Tätigkeit in der Sportbetreuung bei Mercedes-Benz füllt ihn aus. Weitere
Bewegung verschafft er sich auf dem Tennisplatz und mit dem Rennrad.
Immer wieder freilich sitzt er im Neckarstadion und drückt dem VfB die
Daumen sofern es nicht gegen die Mannschaft seines Freundes Horst Köppel
geht.
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