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Magazin für Tradition, Mythos und Kultur
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  unabhängige Vereinspage über die Profimannschaft des VfB Stuttgart 1893 e.V.       11. Jahrgang

 
 
 


 
    

KARL, DER KANTIGE

VON OSCAR BECK (06/92)

Karl Allgöwer ist ein hundsmiserabler Hellseher. Als er im Sommer 1991 seine Schussstiefel an den berühmt-berüchtigten Nagel an der Wand hängte, verband er seinen Abgang mit dem Satz: "Wenn der VfB Erfolg hat, bin ich schnell vergessen."

Der VfB hatte Erfolg - er wurde danach Deutscher Meister. Trotzdem: Auf dem Cannstatter Wasen wissen nach wie vor alle, wer Allgöwer war. D´r Wasa-Karle.

Damals, als er aufgehört hat, war das eine kleine Beerdigung. Abschiednehmen ist immer auch ein Stück Tod. Oje VfB, stöhnten viele: Künftig, ohne den Karle, würden die Freistöße garantiert nicht mehr als Scharfschüsse aufs gegnerische Tor fliegen, sondern als schlappe Flanken, denen man eine Heiße Rote mit Senf mitgeben muss, damit sie unterwegs nicht verhungern.

"Kaaaarle!"

So hat sich der VfB-Anhang einjahrzehnt lang zu Wort gemeldet, wenn´s irgendwo im vorderen Mittelfeld Freistoß gab. Gemessenen Schrittes näherte sich der Gewünschte sogleich aus der Tiefe des Raumes dem Ort des Geschehens und zeigte dem Schiedsrichter seinen Waffenschein. Dann schüttelte er kurz mal das rechte Bein aus, das im nächsten Moment, in gestrecktem Zustand, die Form einer Panzerfaust annahm. Anschließend gab der Stadionsprecher den neuen Spielstand bekannt, mit einem Hinweis für Außenstehende und Augenkranke: "Das war Knallgöwer."

"Sag mal", hat ihn mal Gaudino bei einem Spiel gegen Gladbach 35 Meter vor dem Kasten entgeistert gefragt, "willst du etwa aufs Tor schießen?" Allgöwers Antwort: Er knallt dem Torwart Kamps die Kugel mal rasch durch die Beine.

Elf Jahre Allgöwer. "Vergoldet diesem Mann die Beine!", hat die Bild Zeitung einst verlangt. Keine üble Idee, denn der Gelobte hat für den VfB auf der großen Ballbühne in tragenden Rollen Triumphe gefeiert, als Wildschütz und Ballermann. 333 Bundesliga-Einsätze, 127 Tore. Er war Nationalspieler, deutscher Meister, nur eines wollte er niemals sein: everybody's darling.

Auf Deutsch: jedermanns Dackel. Einfach war er nie. Als Karl der Kantige hatte er das Brandmal des Aufsässigen in der Stirn.

"Allgöwer denkt negativ", schimpfte schon Jürgen Sundermann, sein erster Trainer beim VfB.

"Ein Querulant brummte später Coach Coordes.

"Bruddelmäßig könnte er Walter Schultheiß junior sein", ergänzte ein Lokalblatt.

Allgöwer, der Rebell. Der Eigenbrötler. Der widerborstige Querschädel. Das war sein eckiges Etikett. Vielleicht hat er es deshalb nur auf zehn Länderspiele gebracht - weil er auch vor Jupp Derwall und Kaiser Franz die Hand nicht rund um die Uhr an die Hosennaht legte. Schon in jungen Jahren war er aus der Kirche ausgetreten, weil er den Missbrauch der Kirchensteuer nicht mitfinanzieren wollte. Und was er dachte, das sagte er immer direkt. Dass er zum Beispiel gegen die CDU sei, oder gegen Pershings, Apartheid und Umweltzerstörung - damit ihm das jeder glaubte, ließ er sich sogar auf einer Müllkippe ablichten.

Karl der Kritische.

In Fachkreisen kursiert eine hübsche Geschichte. Bei der WM '86 in Mexiko war Allgöwer mal mit Karl-Heinz Förster im Auto unterwegs. Plötzlich kam ihnen, zu Fuß, ihr scharfer Kritiker, Paul Breitner, entgegen - und Chauffeur Förster hätte den einsamen Tramper wohl einsteigen lassen. „Fahr weiter", sagte Allgöwer, und Pechvogel Paul sah nur noch die Rücklichter. Mit finsterer Miene stand er im mexikanischen Staub der Landstraße.

Ja, der Profi Allgöwer war immer ein streitbarer Geist, und er hat sich das Leben dadurch nicht leichter gemacht. Den Torwart Illgner brachte er für ein Foul vor den Kadi. Seinem Ex-Trainer Coordes legte er mal therapeutisch nahe: "Es bringt nichts, wenn Sie lügen." Auch Arie Haan weiß Bescheid: Er holte sich, als er aus erzieherischen Gründen das Alb-Duo Allgöwer/Klinsmann im VfB-Quartier trennen wollte ("der Jürgen muss seine Persönlichkeit unbeeinflusst entfalten"), an der Wand eine Beule. "Mit mir", ist Karl der Grantige mal ins Grundsätzliche gegangen, "macht keiner den Bären." Don Carlos. Oft genug hat Gerhard Mayer-Vorfelder in der Tasche die konservative Faust geballt und mit Schiller ins Kissen geweint: Der Knabe Karl fängt an, mir fürchterlich

zu werden. In der Not hat der Präsident seinen unbequemen Kicker mal als einen um jede Mark feilschenden

"Salon-Sozialisten" analysiert und in die Journalisten-Ecke gefragt: "Warum nimmt den Karl mit seinen granatenmäßigen Widersprüchen denn keiner auseinander?" Tröstlich für den VfB-Boß: Sein Linksdenker blieb wenigstens bis zum Ende ein Rechtsfüßler auf dieser Basis sind sie sogar fast noch Freunde fürs Leben geworden. Karl der Große. Weil die Stelle des

VfB-Managers bei seinem Abgang schon besetzt war, ist er Verkaufsleiter eines Textil-Unternehmens geworden. Nebenher weist er als Vorstandsmitglied der "Vereinigung der Vertragsspieler" junge Bundesliga-Kicker auf ihre Rechte hin - so ist er dem Fußball doch noch erhalten geblieben. Gut so. Denn die Typen sterben aus.

     
   
     
   
     
   
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