Seite [zurück]
Magazin für Tradition, Mythos und Kultur
  Seite [vor]
     
   
 
  unabhängige Vereinspage über die Profimannschaft des VfB Stuttgart 1893 e.V.       11. Jahrgang

 
 
 


 
    

DER MANN MIT DER MÜTZE

VON OTTO E. LACKNER (06/92)

Wo ist die Mütze? Die Mütze war sein Markenzeichen. Die Mütze hat er immer getragen, und sie war ihm auch dann nicht vom Kopf geflogen, wenn er sich nach dem Ball hechtete. Die Mütze gehörte zu Günther Sawitzki, wie dieser in den fünfziger und sechziger Jahren zum VfB Stuttgart gehörte.
Natürlich hat Sawitzki die Mütze noch. Eine Schiebermütze, gewiss nicht mehr der neueste modische Schrei, aber für ihren Besitzer enorm wichtig. Ohne sie ist er nicht ins Spiel gegangen. Sawitzki hatte keinen Käppi-Spleen, und er wollte nicht etwas Besonderes sein, wie das heute mancher Bundesliga-Keeper allein durch popiges Outfit zu sein versucht. Seine Kopfbedeckung hatte einen einfachen Grund. Sawitzki hat streng - nach hinten gekämmte Haare, ohne Schnörkel, ohne Schnickschnack, einfach mit dem Kamm drüber und nach hinten durchgekämmt. So hat er's früher gehabt, so hat er's heute noch - "Wenn ich etwas nicht leiden kann, dann sind das Haare in der Stirn, das kitzelt und kribbelt so blöde, das macht mich verrückt." Deshalb die Schiebermütze.

Häufig gibt das Äußere interessante Aufschlüsse über die Persönlichkeit. Eine Parallele lässt sich bei Günther Sawitzki gewiss ziehen: So wie seine Haare liegen mussten, so spielte er Fußball, so ging er durchs Leben geradewegs, sauber und korrekt, ein Mann ohne Mätzchen.
Auch wenn er kein Schwabe ist - er hätte einer sein können, und in all den Jahren ist er wahrscheinlich einer geworden. Es war im Jahr 1956, als Günther Sawitzki vom SV Sodingen, einem Stadtteil von Herne, zum VfB Stuttgart wechselte. 

Trainer Schorsch Wurzer habe ihn damals geholt, sagt er, aber es war mehr als ein Wechsel von einem kleinen zu einem etwas größeren Klub. Vom Revier an den Neckar: Ein ganz anderer Menschenschlag erwartete ihn, aber "Sawi" passte sich an, indem er das tat, was bei Schwaben Anerkennung findet: Er schaffte.
Weil die Bundesliga und damit der Vollprofi zu den fußballerischen Segnungen gehörten, die erst ein Jahrzehnt später eingeführt wurden, ging er jeden Morgen "ins G'schäft". 35 Jahre lang arbeitete er bei Hahn & Kolb. "Ich habe nicht lange zur Eingewöhnung gebraucht", sagt Sawitzki heute, "ich habe sofort Leistung gebracht." Bei der Arbeit in der Firma und im VfB-Tor.
Von 1956 bis 1967 gab's nur eine Antwort auf die Frage nach dem VfB-Torwart. Er war beim Pokalsieg 1958 ebenso dabei wie beim Bundesligastart 1963. Nicht ohne Stolz sagt Sawitzki: "Ich war immer die Nummer eins."

Nur nicht in der Nationalmannschaft. Dass er es insgesamt nur auf zehn Länderspiel-Einsätze gebracht hat -darüber lacht er heute. "Ich war Rekord-Nationalspieler", sagt Sawitzki, "auf der Ersatzbank."
Dass er eventuell ein paar Jahrzehnte zu früh auf die Welt gekommen war, dass er zu späteren Bundesligazeiten das Zigfache von dem hätte verdienen können, was damals einem Vertragsspieler gezahlt wurde? Das bringt Günther Sawitzki nicht um den Schlaf. "Das wäre ja auch Selbstzerfleischung", sagt er, "und ändern kann ich eh nichts daran." Sein Trost: Ich hab' dafür mehr von der Welt gesehen." Eine Weltreise, ein Trip nach Amerika, die Reisen mit der Nationalmannschaft, das hat ihn entschädigt Zum Beispiel die WM 1962 in Chile. Ein Riesenerlebnis. Gespielt hat Sawitzki zwar nicht, er musste Wolfgang Fahrian den Vortritt lassen. "Ich habe olympisch gelebt", sagt er Hauptsache dateigewesen. Für Sawitzki war das nicht nur so eine Redensart: "Man kann auch durch Zuschauen viel lernen."

Die Einstellung gefiel natürlich dem Bundestrainer Sepp Herberger. Etwas anderes an Sawitzki dagegen weniger. Hatte der VfB-Torwart, was selten genug der Fall war, mal keine Mütze auf, bändigte er seine Haare mit einem Gummi, und das konnte der Bundestrainer, der keine Extras duldete, schon gar nicht leiden.
Bis 1967 stand Sawitzki beim VfB im Tor. Als er 33, 34 Jahre alt war, hatte er seine stärkste Phase. Die WM 1966 in England, die hätte gepasst für ihn, aber international war der Zug abgefahren und Hans Tilkowski an der Reihe. Beim VfB löste ihn Gerhard Heinze ab, der "Flieger" - das Kontrastprogramm zum Vorgänger.
Der war freilich noch längst nicht au dem Altenteil. 1970, als Sawitzki schon 38 war, half er den VfB-Amateuren aus der Klemme. "Denen waren die Torleute ausgegangen, alle verletzt." Amateur-Trainer Franz Seybold fragte bei Günther Sawitzki an, ob er einspringen könne. Er konnte. Ergebnis: 9: 1 Punkte aus den folgenden fünf Spielen, und beinahe wäre der Aushilfskeeper sogar noch zu Meisterehren gekommen. Erst im Endspiel um die Deutsche Amateurmeisterschaft wurde der VfB vom SC Jülich mit 0: 1 gestoppt.
Das war's aber immer noch nicht. Im selben Jahr tauchte der Mann mit der Mütze und dem dunklen Seemannspullover sogar noch einmal in der Bundesliga auf. Wieder hieß es: beide Torhüter verletzt. Wieder musste der Routinier ran. Sawitzki: "Da stand ich nun wieder in einem Bundesligaspiel zwischen den Pfosten - mit 38! Aber Angst hab' ich keine gehabt." Das Wortspiel vom Tor im Tor kam nicht zur Anwendung. 

In Gladbach unterlag der VfB 1: 4, gegen Frankfurt siegte man im Neckarstadion mit 2: 1. "In Gladbach war ich nicht besonders", erinnert sich Sawitzki an seine allerletzten Bundesliga-Auftritte, "aber gegen die Eintracht habe ich, wenn ich mich recht erinnere, ganz gut gespielt." Fußball spielt er nach wie vor, auch heute noch, im Ruhestand. 

Aber nicht mehr im Tor. jeden Montagnachmittag trifft er sich mit ehemaligen VfBlern zum Kicken. Karl Bögelein ist dabei, Lothar Weise, ein paar vom Freundeskreis, und in früheren Jahren waren regelmäßig auch VfB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder und Ex-Nationalspieler Erwin Waldner mit von der Partie. Der Montag, das ist ein Pflichttermin für ihn. Da spielt er Fußball, nur so zum Spaß. So wie ihm der Fußball ein Leben lang Freude bereitet hat. Auch wenn manches beschwerlicher war: "Freitags nahm ich immer die Sporttasche mit ins Büro und bin abends den anderen ins Trainingslager nachgefahren."
Der VfB Stuttgart war für ihn mehr als ein Verein, zu dem er eben gewechselt ist, weil die sportlichen Aussichten besser waren ("und verdient haben wir damals beim Fußball auch schon was"). In den knapp vierzig Jahren ist ihm der VfB ans Herz gewachsen. Mit seiner Frau wohnt er in Heumaden, bei jedem Heimspiel sitzt er auf der Tribüne, und einige Jahre lang trainierte Günther Sawitzki mit Erfolg die Jugendtorhüter beim VfB Stuttgart.

Mittlerweile konzentriert sich der Pensionär Sawitzki, der immer wieder auf einem Campingplatz auf der Schwäbischen Alb anzutreffen ist, nur noch auf ein Torwarttalent: Enkel Markus, der wie Enkel Michael beim VfB in der Jugend spielt.

Dem VfB Stuttgart habe er einiges zu verdanken, gibt der frühere Nationaltorhüter zu verstehen. "Durch ihn habe ich meine Popularität erlangt", sagt Günther Sawitzki und holt zum Beweis ein paar Briefe vom Wohnzimmerschrank: "Hier zum Beispiel aus Polen, kaum zu glauben, aber die Leute wollen immer noch Autogramme von mir."

     
   
     
   
     
   
     Unterstützt wird HefleswetzKick von:  
     
 
     
 
 
   
 
 
Aktuelles ........................................... [weiter]   Statistik ...................................... [weiter]
Nachrichten Ergebnisse, Tabellen, ..     Zahlen, Daten Fakten, ...  
Teams ............................................... [weiter]   Stadion ....................................... [weiter]
Fotos, Berichte, Geschichte, ...     Geschichte, Ereignisse, ...  
Personen .......................................... [weiter]   Fanzone ...................................... [weiter]
Datenbanken, Fotos, Geschichten, ...     alles für den VfB Stuttgart Fan  
Chronik ............................................. [weiter]   Download ................................... [weiter]
Zeitgeschichte, Dokumente, ...     für zu Hause  
 
 
  HefleswetzKick | Michael Holzschuh | Weilbachweg 9 | 82541 Münsing | Telefon: 08177-997267 | E-Mail | Internet |
Inhaltlicher Verantwortlicher gemäß § 55 Abs. 2 RStV: Michael Holzschuh (Anschrift wie nebenstehend)