Brüderpaare in der Bundesliga: Die Försters
von Harry Valérien (06/84)
Über
die richtigen Beziehungen zu verfügen ist wichtig in unserer
Gesellschaft, wie jeder weiß. Wenn man einen kennt oder zumindest einen
kennt, der einen kennt, der was billiger beschafft, einen Arzt im
Krankenhaus, einen Spezi bei der Behörde hat, geht manches leichter
vonstatten. Auf den richtigen Draht kommt es an. Wenn ein Fußballer den
findet, rückt er mitunter schneller auf von der Reserve ins erste Glied,
und für den Sprung in die Nationalmannschaft ist so was auch eine
vorteilhafte Basis. Der Beckenbauer hat einst den Schwarzenbeck
protegiert, der Breitner den Dremmler, Mannschaftskameraden allesamt
beim FC Bayern München. Und wenn gar ein Bruder für den anderen eintritt
wie der Karl-Heinz Förster für den Bernd, ist ohnehin alles geritzt.
Die Rechnung, versichert Karl-Heinz Förster, geht
nicht auf. Als Hindernis gar erweise sich das brüderliche Band. "Wenn
ich ein gutes Wort einlege für den Bernd, dann sagt jeder: Ja, der
Bruder! Und wenn der Bundestrainer mich fragen würde, ob er den Bernd
aufstellen soll, müsste ich immer ja sagen, weil ich eine so gute
Meinung von ihm habe. Herr Derwall weiß das, und wahrscheinlich fragt er
mich deshalb nicht."
Der Bernd kennt die Problematik, sie haben oft
darüber gesprochen. "Aber unsere Bindung ist so eng, dass sie mir über
vieles hinweghilft. Es hat nie einen Moment gegeben, in dem ich neidisch
war oder unzufrieden. Ich freue mich über jedes gute Spiel von
Karl-Heinz."
Das klingt keineswegs resigniert, obwohl Bernd Grund
genug hätte, an seinen Fähigkeiten als Fußballspieler zu zweifeln, mit
dem Glück und seinem Geschick zu hadern. In der DFB-Jugendauswahl hat er
einst Vorstopper gespielt, ehe ihn der damals erst 16jährige Karl-Heinz
ablöste, um ihn bald zu überflügeln: Erstes A-Länderspiel mit 19, zuerst
beim VfB Stuttgart und gleich Stammspieler, Heirat, Vaterglück, immer
vorneweg. "Meine Laufbahn ist nicht so glatt verlaufen wie die von
Karl-Heinz", sagt Bernd.
Die
ersten Schritte waren vorgezeichnet: Badenia Unterschwarzbach, der
Heimatverein im Odenwald; Waldhof Mannheim, die Talentschmiede; dann der
große Sprung zum FC Bayern München, der 440000 Mark zahlte, ein
Privatspiel inklusive. Der 19jährige Bernd Förster stand mit monatlich
10 000 Mark auf der Gehaltsliste und musste dafür vornehmlich die Koffer
tragen. Er wechselte zum 1. FC Saarbrücken, doch der stieg ab.
Wenigstens damals hat sein Bruder etwas für ihn tun können. Er ebnete
ihm den Weg zum VfB Stuttgart, wo die beiden seitdem Tore verhindern.
Konkurrenzlos darf Karl-Heinz Förster in der
DFB-Auswahl Anspruch auf den Posten des Vorstoppers erheben: Eine
verbesserte Ausgabe des "Katsche" Schwarzenbeck, der Mitglied der
Weltmeistermannschaft 1974 gewesen ist, mit Zierleiste quasi. Der
Schwarzenbeck hat so grimmig dreingeschaut, wie er spielte. Karl-Heinz
Förster kämpft nicht weniger kompromisslos, aber mit dem adrett
gescheitelten blonden Haar und dem stets fröhlichen Gesicht vermittelt
er den Eindruck, als könne er kein Wässerchen trüben, so dass manche von
ihm behaupten, er sei der Treter mit dem Engelsgesicht.
Sein Bruder Bernd gilt als vielseitig verwendbarer
Spieler, und für so einen ist der Weg nicht weit zum Lückenbüßer. "Das
ist auf die Dauer gefährlich", hat er erkannt. "Erst spielst du hier,
dann da, und auf einmal bist du weg vom Fenster." Das widerfuhr ihm bei
der Europameisterschaft 1980, als er Platz machen musste für Bernd
Schuster. Danach hat er sich wieder rangekämpft und in jener Mannschaft
verteidigt, die bei der Weltmeisterschaft 1982 erst im Finale den
Italienern unterlegen ist.
Die Kraft, nicht aufzugeben, Enttäuschungen zu
überwinden, finden beide, so versichern sie, in ihren familiären
Beziehungen. "Das Familienleben ist für uns wichtige Basis", versichert
Bernd. "Wir haben eine enge Bindung zum Elternhaus. Meiner Mutter war
die Arbeit nie zuviel, wenn wir dreimal am Tag schmutzige Wäsche
heinigebracht haben. Das geben wir jetzt zurück." Eine Autostunde bringt
sie in den Odenwald zu den Eltern, den beiden Schwestern, sooft es die
Zeit zulässt.
Dass einer für den anderen einsteht, ging so weit,
dass sie mit dem Fußballgesetz in Konflikt gerieten.
Im UEFA-Cup-Spiel gegen den 1. FC Köln im Jahre 1980 stellte sich Bernd
vor seinen Bruder Karl-Heinz, als dieser mit der gelben Karte verwarnt
werden sollte und daraufhin gesperrt worden wäre. Der schwedische
Schiedsrichter Ericsson ließ sich täuschen: Ein Blonder, ein Förster.
Der Fehler dabei war bloß: Die beiden Schwindler erzählten die
Geschichte im regionalen Fernsehen, sie machte die Runde, und die Strafe
traf hart: vier Spiele Sperre - für beide. Der VfB Stuttgart flog aus
dem Wettbewerb und büßte Millionen ein.
Das sind zwei liebe, nette junge Burschen, die immer
freundlich Grüß Gott sagen, was in ihrer Branche durchaus nicht mehr als
selbstverständlich gelten kann. Doch dieser Eindruck täuscht. Bei der
Arbeit auf dem Spielfeld wirken sie eiskalt und knallhart, zeigen sich
nach dem Schlusspfiff als gewiefte Geschäftsleute. Mit 17 hat Karl-Heinz
Förster, damals jüngster Profi beim VfB Stuttgart, schon verkündet, er
werde bei seinem Verein um jede Mark kämpfen, "denn irgendwann kriegt in
diesem Job jeder einen Tritt". Nach der Weltmeisterschaft sollte ein
Buch über das Duo erscheinen, im Auftrag einer Kaufhauskette, mit dem
Titel: "An uns kommt keiner vorbei." Das Projekt hat sich damals
zerschlagen. Jetzt werben sie für eine Bausparkasse, als sympathische
Garanten des schwäbischen Mottos: Schaffe, schaffe, Häusle baue.
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