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Magazin für Tradition, Mythos und Kultur
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  unabhängige Vereinspage über die Profimannschaft des VfB Stuttgart 1893 e.V.       11. Jahrgang

 
 
 


 
    

EIN FEINER KERL - MANCHMAL AUCH FURS GROBE

VON OTTO E LACKNER (06/92)

Der Konferenzsaal in der Nobel-Absteige beim Frankfurter Flughafen ist genau das Gegenteil eines gemütlichen Partykellers. Aber Guido Buchwald hätte dort am liebsten ein kleines improvisiertes Fest gefeiert, wie man es eben im Kreise von Berufskollegen tut. Anlass: Er war befördert worden.
Guido Buchwald: Profi beim VfB Stuttgart, Nationalspieler, Weltmeister. In der Branche zählte er längst zu den "upper ten", aber jetzt rückte er auch noch in das "Vorstandsgremium - der Chefriege auf Bundestrainer Berti Vogts schickte ihn in den Spielerrat der Nationalmannschaft: - Der Guido ist zu einer echten Persönlichkeit herangewachsen."

Der Guido - jahrelang belächelt, oft nur geduldet, hin - und hergeschoben, der Mann fürs Grobe in der Nationalmannschaft, dem man jeden Fehler paß unter die Nase rieb. Und jetzt sitzt er im "Vorstand" der Nationalmannschaft, jetzt sagt er, wo's lang geht.
Das war im Sommer 1992, kurz vor der Europameisterschaft und Bundestrainer Vogts wusste schon, warum er vor dem Turnier in Schweden auf den großen Blonden setzte. Einer wie Buchwald tut seine Arbeit ganz. Und er schaut auch darauf, dass die Kollegen sie tun, "Guido Buchwald ist eine Führungsfigur, wie man sie sich wünscht", sagt der VfB-Trainer Christoph Daum. Gut, dass Guido Buchwald mit der Gabe des Vergessen Könnens gesegnet ist. Wie oft hätte er den Bettel hinschmeißen können?

1984. Ein glänzendes Jahr für ihn. Unmittelbar nach seinem Wechsel von den Stuttgarter Kickers zum VfB war er Deutscher Meister geworden, Der Jungfuchs hatte wenig Zeit, die Meisterschale zu streicheln. Jupp Derwall nahm ihn mit zur EM nach Frankreich, aber als es dort zum "grand malheur" kam, lernte Guido Buchwald seine neue Rolle kennen die des Sündenbocks. Er tröstete sich: bin ja noch jung. Mein Ziel ist die WM in Mexiko."

1986. Drei Tage vor dem Abflug nach Mexiko sagte ihm der Teamchef Franz Beckenbauer, dass er nicht mitdürfe zum großen Fußballfest jenseits des Atlantiks. Buchwald fiel in ein Meer der Enttäuschung - die Tränen flossen, als er die Koffer packen musste. Unerbittlich verbreiteten es die Kamera-Objektive in jede Wohnstube: Guck mal, der Riese weint. Der Teamchef sagte später, es sei für ihn die schlimmste Situation seiner Amtszeit gewesen, aber Buchwald schwor sich daheim in Walddorfhäslach bei Reutlingen: "jetzt erst recht."

1988. Bei der EM in Deutschland reckte er rechtzeitig den Finger hoch. Das hatte er von Arie Haan gelernt, der mittlerweile sein Trainer war beim VfB. "Ich muss spielen, ich bin besser als Borowka", sagte er energisch, und Buchwald spielte. Aber nicht lange. Im Spiel gegen Dänemark prallte er mit Flemming Povlsen zusammen, ließ die Platzwunde nähen und kehrte ein paar Minuten später humpelnd an die Seitenlinie zurück: Leistenzerrung, EM aus und vorbei. "Das wirft mich nicht um", sagte Guido trotzig.

1989. Der VfB Stuttgart im UEFA-Pokal-Endspiel gegen den SSC Neapel. Buchwald und Maradona. Ein Traum!? Ein Alptraum! Im ersten Finale, in der Feuerwerk-Kulisse des Stadio San Paolo, hatte der VfB-Kapitän die gelbe Karte gesehen - und er hätte den griechischen Schiedsrichter Germanakos hinterher in der Luft zerreißen können und das gelbe Papier gleich mit: "Ich schwöre es, ich bin ausgerutscht, ich habe den Careca gar nicht berührt." Aber nichts zu machen, es war die zweite gelbe Karte, Buchwald musste beim Rückspiel im Neckarstadion, diesem Jahrhundert-Ereignis für den VfB, wohl oder übel zuschauen. "Es tut weh, aber ich muss mich damit abfinden", sagte er damals.

1990. WM in Italien. Da endlich hat das Glück die Hand nicht mehr zurückgezogen. Keine Zerrung, kein Bänderriss, kein Fehlpass, keine Intrigen, kein Opfer der Taktik. Guido Superstar! Als Franz Beckenbauer nach dem gewonnenen Finale von Rom gefragt wurde, wer denn sein wichtigster Spieler bei dieser Weltmeisterschaft gewesen sei, überlegt er nicht lange: "Guido Buchwald." Im Finale gegen Maradona zeigte er im siebten WM-Spiel seine siebte Weltklasseleistung." Da hatte Guido Buchwald eine ganze Karriere lang gekämpft, gegen Rückschläge, Widrigkeiten und Vorurteile, gegen Schwätzer und Schwalben. Und nun war er endlich durch. Die Fußballnation breitete die Arme aus: Mensch, Guido.

Der Grund für den Erfolgs- und Popularitätsaufschwung? Es war eine Woche vor der WM. Die Nationalmannschaft bereitete sich in Kaltern in Südtirol vor, und wir saßen in einer dieser urigen Weinstuben. Da gewährte Guido Buchwald einen Einblick in sein Innenleben. Es werde wohl seine erste und letzte WM sein, meinte er, "in meinem Alter, ich bin jetzt 29". Er sei zehn Jahre im Geschäft, jetzt mache es ihm nichts mehr aus, wenn die alten Besserwisser kämen und es ihm wieder aufs Butterbrot schmierten: Der Buchwald sei zuverlässig, aber bieder. Ob beim VfB oder in der Nationalmannschaft, "für mich war es immer ein harter Kampf, sagte Buchwald damals - und da hatte er den Kampf schon gewonnen. Er hatte sich eine dickere Haut zugelegt, die Nadeln der Kritiker pieksten nicht mehr durch. Okay, sein Laufstil ähnelt zwar nicht dem von Carl Lewis, aber dafür machte er dann mit den Holländern den "Übersteiger" und mit Maradona im Finale kurzen Prozess ...

Dieser Buchwald! Nun war er "unser Guido". Weil er immer gekämpft hat, auch wenn ihn ein deutscher Teamchef heimgeschickt oder ein griechischer Schiedsrichter fürs Endspiel gesperrt hat. "Es hat sich gelohnt", kann er heute sagen, "ich habe mich letzten Endes immer durchgesetzt."

Na ja, in einem Fall nicht. Nach der WM hätte er gar zu gerne in Italien weitergespielt. Das Angebot aus Parma war verlockend. Aber VfB-Manager Dieter Hoeneß wollte "mit Buchwald in die neunziger Jahre". Das beste Pferd durfte nicht aus dem Stall. "Der Guido hätte mir am liebsten seine WM-Goldmedaille ins Gesicht geworfen, so wütend war er", berichtete VfB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder.

Aber Guido Buchwald ist, wie wir ja nun wissen, nicht nachtragend. Der VfB verschaffte ihm eine Gehaltsaufbesserung und den einen oder anderen Werbevertrag. Aus dem Fußballprofi ist längst der Geschäftsmann (Beispiel: Tenniszentrum bei Tübingen) geworden. Und der Zorn auf Mayer-Vorfelder? Längst verraucht. Bei den nächsten Landtagswahl machte Guido Buchwald Wahlwerbung für seinen Präsidenten.

     
   
     
   
     
   
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